Koschuh singt inbrünstig die heimliche Hymne der Tiroler „Dem Land Tirol die Treue“ bei der Premiere im Treibhaus.
Gleich vorneweg: Matschige Tomaten und faule Eier gibt es für den Kabarettisten Markus Koschuh bei der Premiere seines bitterbösen Programms „Agrargemein“ keine – vielmehr Lachsalven und Szenenapplaus. Für Begeisterungsstürme sorgt der von ihm verkörperte Guerilla der BBA (Bäuerliche Befreiungsarmee Agrar), in dessen Patronengürtel Kartoffeln stecken.
Anzunehmen, dass einem Mann im Publikum aber nicht zum Lachen zumute war. Realsatire ist weniger witzig, wenn man sie am eigenen Leib erlebt. Josef Guggenberger, ehemaliger Vorstand der Agrarbehörde, der mit dem „Fall Mieders“ die Agrar-Causa ins Rollen brachte und sich daraufhin, aus seiner Sicht, mit „systematischem Mobbing“ konfrontiert sah, ließ sich die humoristische Aufbereitung dennoch nicht entgehen. Dass Koschuhs Programm, in dem er die Agrarier gehörig auf die Schaufel nimmt, politischen Zündstoff birgt, ist dem Besucher rasch klar, wenn er den Blick durch die Reihen gleiten lässt. Bürgerforum-Chef Fritz Dinkhauser hat sich ebenso eingefunden wie Georg Willi von den Grünen. Zudem mischen sich Hanns-Peter Adami, einstmals Boss des Agrarmarketings, und Fritz Hakl, Ex-Chef der Raiffeisenlandesbank (RLB), unters Volk.
Neben den üblichen Verdächtigen aus der Kulturszene werden aber auch Jungbauern gesichtet, die sich ins Fäustchen lachen. Zweifel, ob es Koschuh gelingen würde, den recht komplexen Sachverhalt auf den Boden zu bringen, zerstreuen sich rasch. In seinem schlauen Lexikon findet sich nämlich eine ebenso simple wie absurde Erläuterung von Tirols Streitthema Nummer eins. Als „atypisches Eigentum“ bezeichnet der Kabarettist den Umstand, dass jemandem (den Gemeinden) ein Besitz weggenommen wird und anderen (den Agrariern) übertragen wird, die dann den Gewinn abschöpfen.
Mit zahlreichen umgetexteten Liedern (Koschuh muss sich als Sänger nicht verstecken) transportiert der Kabarettist seine Botschaft: Es sind die Agrarier, es sind die da oben, die es sich seit Jahrzehnten richten. Eine reduzierte Anklage, die so an einem Stammtisch fallen könnte, wenn dort nicht wiederum die Bauern sitzen würden.
Landtagspräsident Herwig van Staa ist ebenfalls anwesend, allerdings als perfekte Parodie auf der Bühne. Er spricht den Agrariern Mut zu. Ein Bauernvertreter, der zugleich Bürgermeister ist, tritt auf, um das Schicksal eines verarmten Bauern zu beklagen und dem Spielsüchtigen aus der Patsche zu helfen, gemäß dem Agrarier-Motto „Wir sind nicht da, um über jemanden zu richten, sondern es den Unsrigen zu richten“.
Höhepunkt des Abends, der von Yvonne Kathrein auf der Harfe begleitet wird (Licht Tom Neumayr), ist die Rede eines Vertreters der Kärntner Landmannschaft. Er gibt den Agrariern wegen konsequenten Ignorierens der Urteile des Verfassungsgerichtshof (VfGH) den Pokal „VfGHhahaha“ weiter. „Wir haben nur die Ortstafeln verschoben, ihr aber habt a bissl Grund verschoben. Wir haben nur die Slowenen beschissen, aber ihr bescheißt eure eigenen Leute“, erklärt er. Auch LH Günther Platter bekommt sein Fett ab. Seine Stellungnahme: eine leere Seite. LR Anton Steixner wird mit dem schmachtenden „Toni, Toni“ (ursprünglich Angie) besungen. Ein Programm voller Witz, ein Feuerwerk an Ideen, bei dem es einem wie Schuppen von den Augen fällt.
Tiroler Tageszeitung, Fr, 03.02.2012 |